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Die Vermessung der Welt

Leitfossilien der Kartographie

Im Jubiläumsjahr von Gerhard Mercator (500. Geburtstag) und Tobias Mayer (250. Todestag) greift die Reihe die Kartographie, Geographie und Geodäsie auf. Nach dem Auftakt im Stadtmuseum Fembohaus, in dem Tobias Mayer beim Landkartenverlag Homann-Erben zirka 30 Landkarten und diversen Aufsätzen über astronomische Probleme veröffentlichte wird, werden die folgenden Vorträge im Nicolaus-Copernicus-Planetarium von der Weltkarte des Ptolemaios bis zu den Errungenschaften der modernen Satellitennavigation führen.

Montag, 01.10.2012, 19:00 – 20:30 Uhr

Tobias Mayer und die Lösung des Längengradproblems

Prof. Dr. phil. habil. Armin Hüttermann, Tobias Mayer Verein Marbach e.V., Auftaktveranstaltung im Stadtmuseum Fembohaus

Der vor 250 Jahren verstorbene Geograph, Kartograph, Mathematiker und Astronom Tobias Mayer erhielt posthum einen Teil des Längengradpreises des Britischen Board of Longitude. Anders als John Harrison, der das Problem mit der Verbesserung von Uhren löste, nutzte Mayer den Sternenhimmel und die Bewegungen von Mond und Planeten, um zu einer genauen geographischen Positionsbestimmung zu kommen. Mayer war ursprünglich an der Verbesserung der Karten interessiert, die er im Verlag Homanns Erben in Nürnberg bearbeitete. Auch hier ging es darum, die einzuzeichnenden Orte genau positionieren zu können. Für Nürnberg stellte er selbst solche Messungen an, die er in den Kosmographischen Nachrichten veröffentlichte. Da der Mond bei seinen Überlegungen eine große Rolle spielte, fertigte er eine Mondkarte an und begann, auch einen Mondglobus herzustellen. Da Mayer nur 39 Jahre alt wurde, blieb dieses Projekt unvollendet, bis im Jahre 2009 der Tobias-Mayer-Verein aus seinen Vorlagen einen Mondglobus anfertigen ließ.

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Tobias Mayer; Foto: Tobias-Mayer-Verein (Leihgabe aus Familienbesitz)

Mittwoch, 10.10.2012, 19:00 – 20:30 Uhr

Klaudios Ptolemaios und die antike Messkunst

Prof. em. Dr.-Ing. Dieter Lelgemann, TU Berlin, Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik

Bereits um 150 n Chr. hat Ptolemaios in der „Geographike hyphegesis“ eine digitale Karte der antiken Oikumene erstellt durch Angabe von geographischen Koordinaten Φ und Λ für ca. 6500 Orte und zur Orientierung dienende Geländemarken zwischen dem Atlantik und China, zwischen Thule im Norden und dem Äquator. Erst die modernen archäologischen Befunde (Barrington-Atlas) erlauben nunmehr eine – seit der Zeit des Mercator stets gescheiterte – Transformation seiner Koordinatenangaben in das moderne Greenwichsystem. Der unerwartet kleine zufällige Fehler der transformierten Koordinaten von nur ca. 10 km bezeugt nicht nur die hohe Qualität der antiken Landesvermessung, sondern ermöglicht auch eine Identifizierung unbekannter antiker Orte wie z. B. Marobudum nahe Kastl bei Nürnberg.

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Ptolemaios - 1482 Ulm - Thacher

Mittwoch, 17.10.2012, 19:00 – 20:30 Uhr

Von der Scheibenwelt ins Zeitalter des Columbus

Pierre Leich, Nürnberg

Wem verdanken wir die Erkenntnis der Kugelgestalt der Erde? Brauchte es erst die Fahrten von Columbus, da Gama und Magellan oder legte nicht schon Eratosthenes einen schlüssigen Beweis nebst Erdumfangsrechnung vor? Der Vortrag verfolgt die Lehre der Kugelgestalt aus der Antike über die Kirchenväter bis zur Entdeckung Amerikas, deckt Missverständnisse auf und klärt, um was es beim Streit von Columbus in Wahrheit ging.

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Columbus - Die Übernahme

Mittwoch, 24.10.2012, 19:00 – 20:30 Uhr

Der Behaim-Globus und seine aktuelle Bearbeitung

Prof. Dr. Günther Görz, Universität Erlangen-Nürnberg, Department Informatik und Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin

„... in gegenwärtigen figur des Apffels ist ausgemessen die ganze welt nach der läng und nach Breite nach der Kunst Geometria als uns Ptolomeus in seinem Buch genant Cosmographia ptolomei geschrieben“. Der Behaim-Globus von 1492, der älteste erhaltene Erdglobus, gehört heute zu den prominentesten Exponaten des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. In ihm manifestiert sich das reichsstädtische Interesse an einem umfassenden, geradezu enzyklopädischen Bild der Welt im Geist des Humanismus. Sein Kartenbild ist primär ptolemäisch, zeigt aber auch Bildelemente aus mittelalterlichen Weltkarten und Portulanen (Seekarten). Er ist mit über 100 Miniaturen reichhaltig illustriert und dicht beschriftet, zum Teil auch mit langen Texten. Nach einem Überblick über den Globus wird ein aktuelles Forschungsprojekt vorgestellt, das auf der Basis einer neuen digitalfotografischen Erfassung und 3D-Rekonstruktion die Erarbeitung einer umfassenden Edition des Globus in digitaler und gedruckter Form zum Ziel hat. Zur semantischen Detail-Erschließung werden auch formale Methoden des Semantic Web eingesetzt, die neuartige Zugänge zu den reichhaltigen Informationen auf dem Globus und ihrem Kontext eröffnen.

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Behaim Globus

Mittwoch, 07.11.2012, 19:00 – 20:30 Uhr

Gemma Frisius und Gerhard Mercator: Die Begründung der modernen Kartographie

Thony Christie, Erlangen

Mit der lateinischen Übersetzung der „Geographia“ des Ptolemäus im Jahr 1406 in Florenz erlebte die mathematische Kartografie während der Renaissance in Europa eine Wiedergeburt. In den folgenden einhundertfünfzig Jahren brachten die Kartografen ihre Disziplin auf das Niveau ihrer griechischen Vorgänger. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts begannen sie, ihre Vorgänger zu überholen – allen voran die Universität von Löwen mit Professor Gemma Frisius und seinem bedeutendsten Schüler Gerhard Mercator, der vor fünfhundert Jahren geboren wurde. Der Vortrag beschreibt das Leben und Arbeiten von Frisius und Mercator und zeigt, wie beide die moderne Kartografie einleiteten.

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Mercator

Mittwoch, 14.11.2012, 19:00 – 20:30 Uhr

Alexander von Humboldt und sein Bild der Welt

Dr. Frank Holl, München

Was sich heute jeder fortschrittliche Wissenschaftler zum Grundsatz macht, hat Alexander von Humboldt bereits vor 200 Jahren vorgelebt: die transdisziplinäre Forschung. Humboldt betrieb seine Wissenschaft, die er „Physik der Welt" nannte, nicht aus der Perspektive einer einzigen Disziplin, sondern er erforschte, überblickte und verband die verschiedensten Fachgebiete, und das mit einer Sicherheit und Virtuosität, wie sie seither wohl nicht mehr erreicht wurde. Oft sprach er von seinem „Nomadenleben". Sowohl in seinem Leben als auch in seinem wissenschaftlichen Ansatz war Humboldt ein Nomade: ein Mensch, der sich aus kulturellen, wissenschaftlichen, ökonomischen und weltanschaulichen Gründen für ein nicht sesshaftes Arbeits- und Lebenskonzept entschieden hatte.
Der Vortrag befasst sich mit Humboldts globalem Denken, seiner ökologischen Weltauffassung und seiner Forderung nach einem respektvollen Miteinander aller Kulturen. Mit seinen klimatologischen Studien wies Humboldt als einer der Ersten auf den Einfluss des Menschen auf das Klima hin. Auch in seinen primär wissenschaftlichen Schriften verteidigte er die Menschenrechte, klagte Rassismus und Sklaverei an und forderte die rechtliche Gleichstellung aller Bürger. Durch TV-Dokumentarfilme, Ausstellungen, und Neu-Editionen seiner Werke sowie durch Daniel Kehlmanns pseudo-historischen Roman „Die Vermessung der Welt“ wurde Humboldt einem Millionenpublikum bekannt. Der Vortrag hinterfragt auch kritisch das Bild, das Kehlmanns Roman und der darauf basierende Spielfilm von Detlev Buck von dem Forscher zeichnen.

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Humboldt - Alexander Stieler

Mittwoch, 21.11.2012, 19:00 – 20:30 Uhr

Carl Friedrich Gauß und die Landesvermessung des Königreichs Hannover

Prof. Dr. Karin Reich (i.R.)

Nach den Napoleonischen Kriegen wurde es für viele Länder nötig, sich durch neue Landesvermessungen neues Kartenmaterial zu verschaffen. So ordnete im Jahre 1820 Georg IV:, König von Hannover und Großbritannien, die Vermessung des Königreichs Hannover an; der Auftrag ging an den Wissenschaftler Carl Friedrich Gauß, der seit 1807 an der Universität Göttingen die Professur für Astronomie bekleidete. Die Arbeiten dauerten bis 1844 und führten zu mannigfachen Ergebnissen, nicht nur im Bereich der Geodäsie, sondern auch im Bereich der Mathematik. Eine besondere Bedeutung kommt dem Papen-Atlas zu, der aus 66 topographischen Karten im Maßstab von 1 : 100 000 besteht; seine letzten Blätter entstanden im Jahre 1848.

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Carl Friedrich Gauß

Mittwoch, 28.11.2012, 19:00 – 20:30 Uhr

Einstein und die Satellitennavigation – von GPS bis Galileo

Tobias Schüttler, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.

Die Nutzung von Satellitennavigationssystemen wie GPS und demnächst Galileo ist im Smartphone-Zeitalter eine Selbstverständlichkeit geworden. Mit Hilfe von mindestens vier Satelliten lässt sich die eigene Position weltweit innerhalb von Sekunden auf wenige Meter genau bestimmen. Jedoch, die wenigsten Menschen wissen, dass diese Technik ohne die etwas seltsam anmutenden und oft recht komplizierten Einstein'schen Relativitätstheorien niemals funktionieren könnte.

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Satelliten-Konstellation GPS

Veranstalter: Bildungszentrum Nürnberg, Fachgruppe Naturwissenschaften und Planetarium
Einschreibung Reihe 39 € (BZ-Kurs-Nr. 00 910), Einzelkarte vor Ort je 7/5 €
Ort: Nicolaus-Copernicus-Planetarium
Am Plärrer 41, Nürnberg
Am 01.10.2012: Stadtmuseum Fembohaus
Burgstraße 15, Nürnberg
Konzeption: Cauchy-Forum-Nürnberg e.V.
Interdisziplinäres Forum für Mathematik und ihre Grenzgebiete
Pierre Leich, Günter Löffladt
Kooperationspartner: Museen der Stadt Nürnberg, Stadtmuseum Fembohaus
Bayerischer Philologenverband, Fachgruppe Physik
Willibald-Pirckheimer-Gesellschaft
Berichterstattung: Artikel „Tobias Mayer – von der Mathematik über die Kartographie zur Astronomie“ von Prof. Dr. Armin Hüttermann, Regiomontanusbote 3/2012
Veröffentlichte Dateien: Faltblatt
Begleitprogramm: Filmvorführung „Der gute Kopf“ von Sabine Willmann, Stadtmuseum Fembohaus
Posterausstellung im Nicolaus-Copernicus-Planetarium